Rotary Club Nördlingen
 

Wie Nördlinger Baufirmen nach dem Krieg Zement beschafften!

 Kurz nach dem zweiten Weltkrieg in den Jahren 1945 bis 1948 musste man Zement bei den umliegenden Zementwerken abholen. Notwendig war hierfür ein Bezugsschein. Mit diesem erhielt man pro Monat zwischen 500 und 1000 kg. Diese Menge reichte natürlich bei weitem nicht aus, um alle desolaten Gebäude in Nördlingen wie
Kloesterle Gerbergasse
 das Klösterle, das Haus in der Gerbergasse 2, das Paradies oder den Spitalhof  zu renovieren.
ParadiesSpitalhof
 

 Weiterhin war es notwendig, zum Zementholen ein Team von mindestens drei Personen zusammenzustellen, welche tunlichst mit Schlagwaffen ausgerüstet sein sollten.

 Bei einer befreundeten Industriefirma mietete man dann den einzigen Kleinlaster, welcher zur damaligen Zeit in Nördlingen zugelassen war. Dieser Kleinlaster wurde mit Holzgas betrieben.

 Spätestens um 4 Uhr morgens startete man die Fahrt zu einem der umliegenden Zementwerke, wobei ein reichlicher Vorrat an Holz zum Betrieb des Motores und mindestens zwei Reservereifen mitgeführt werden mussten. Nach etwa einer Stunde Fahrtzeit kam man am Zementwerk an und mit etwas Glück erreichte man Platz 8 oder 10 in der Reihe der wartenden Fahrzeuge. Diesen sehr günstigen Platz galt es nun gegenüber den Kollegen, zum Teil mit den mitgebrachten Schlagwaffen über Stunden hinweg zu verteidigen, denn allmählich wuchs die Zahl der wartenden LKW's bis auf 40 Fahrzeuge an.

 Nach 4 bis 5 Stunden Wartezeit war es dann endlich so weit: Der LKW durfte auf die Waage gefahren werden, um das Leergewicht des Fahrzeuges festzustellen. Von dort führte dann der Weg am Grenzzaun des Werkes entlang zur Beladestation. Bei dieser Fahrt wurden eiligst das mitgeführte Holz und die Reservereifen über den Zaun geworfen und ein Mann aus dem vorgenannten Team als Wache dort abgesetzt.

 Der Zement wurde bei der Verladestation lose auf den LKW geblasen, da es zu jener Zeit noch keine Zementsäcke gab und pfleglich mit Dachpappe abgedeckt. Anschließend fuhr man erneut zur Waage und stellte laut gestikulierend fest, dass 100 oder 150 kg zu wenig geladen waren (man erinnere sich an die abgeworfenen Reservereifen und den Holzvorrat!). Die Fahrt ging also nochmals zurück zur Verladestation, um auch die fehlende Menge einzuheimschen.

 Auf dem Heimweg wurden dann Holzvorrat, Ersatzreifen und der Wachmann wieder aufgeladen und alle waren glücklich, denn man hatte nunmehr wieder Zement für mehrere Tage. Doch manche Gebäude von damals konnten damit nicht mehr gerettet werden wie z. B.
Hafenhaus
 das Hafenhaus, das dann am 3. 5. 1955 abbrannte und das Haus in der Nonnengasse.
Nonnengasse
 Mit dem so ergatterten Zement wurde z. B. auch an einem strahlenden, heissen Junitag im Jahre 1947 die
Bautenbachbrücke
Bautenbachbrücke bei Möttingen gebaut. Gegen 16 Uhr dieses Tages mußten die mit der Arbeit beauftragten Mitarbeiter mit mehreren Sanitätswagen in die umliegenden Krankenhäuser transportiert werden. Der Grund hierfür war, dass das wegen der Hitze reichlich getrunkene Bier im Zusammenhang mit dem eingeatmeten Zementstaub langsam einen Abbindeprozess hervorrief. Es war deshalb überlebensnotwendig, die Mägen der Betroffenen auszupumpen, bevor sich aus Speiseresten, Bier und Zement dort selbst ein Belag aus Beton bildete.

 So war das nun einmal; - 1945 bis 1948.
 

 Quellen: Geschichte frei nach Herrmann Luther; Fotos: Frickhinger - Gebäude, Luther - Bautenbachbrückenbau
 


Nördlinger Geschichtchen
EDITION -2- 1998
Zurück zur Hauptseite